Band I - Erster Teil Gott der Vater
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sehr vieles sagen. Es geht auch darum zu erklären, daß überhaupt etwas ist.

Wer hier nur auf die Urmaterie verweist, erklärt gar nichts. Denn, erklärt sich die Urmaterie von selbst? Sie ist ja selbst der Veränderung unterworfen und damit höchst unvollkommen. Letzter Grund kann aber nur etwas sein, das aus sich vollkommen und vollendet ist, das aus sich existiert als die reinste Fülle des Seins und des Lebens. Das aber meinen wir, wenn wir von Gott sprechen. Allein in Gott hat die Wirklichkeit der Welt ihren Grund, ohne ihn wäre sie grundlos und damit sinnlos. Ohne ihn wäre letztlich nichts. Da nun aber Wirklichkeit ist und da sie eine sinnvolle Ordnung aufweist, ist es sinnvoll, zu glauben, daß auch Gott als der Grund ihres Seins und ihrer Ordnung existiert.

Die Entscheidung für Gott bedeutet eine Entscheidung gegen den Primat der Materie. Wer an Gott glaubt, sagt, daß der Geist nicht erst am Ende einer langen Entwicklung auftaucht, sondern schon am Anfang steht, ja, daß der Geist die Macht ist, die alles wirkt, alles trägt, alles bestimmt und alles geordnet hat nach Maß, Zahl und Gewicht (vgl. Weish 11,20). Wer sich also für Gott entscheidet, entscheidet sich für die Sinnhaftigkeit der Welt. Diesen Sinnstrukturen begegnet der Wissenschaftler auf Schritt und Tritt. Wie könnte er die Wirklichkeit verstehen, wenn sie nicht geistig verstehbar wäre? Wie aber könnte sie geistig verstehbar sein, wenn sie nicht von einem Geist gestaltet wäre und geistige Strukturen aufwiese? So ist unser Denken über die Welt letztlich nur möglich als ein Nachdenken der Gedanken Gottes. Der Gottesglaube ist also alles andere als ein Gegensatz zum Denken; er ist vielmehr die letzte Grundlage des Denkens und eine nachhaltige Ermutigung und Einladung zum Denken.

Die zweite, mehr neuzeitliche Form der Gottesbeweise verweist nicht unmittelbar auf die Welt, sondern auf die Wirklichkeit des Menschen. Er ist ein durch und durch endliches Wesen, abhängig und bedroht von der ihn umgebenden Natur, dem Tod verfallen. Im Menschen meldet sich aber auch etwas Unbedingtes und Absolutes. Etwa in der Stimme des Gewissens, die sich immer wieder mahnend, tadelnd, anerkennend in uns zu Wort meldet. Gewiß, viele moralische Normen sind geschichtlich bedingt. Unbedingt aber ist der grundsätzliche Anspruch,
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