Band I - Erster Teil Gott der Vater
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das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Wir müßten uns selbst aufgeben, würden wir nicht gegen himmelschreiendes Unrecht, etwa die mutwillige Tötung eines unschuldigen Kindes, protestieren. Wir können nicht aufhören zu hoffen, daß ein Mörder am Ende nicht triumphiert über seine unschuldigen Opfer. Auch wenn wir nirgends in der Welt vollendete Gerechtigkeit vorfinden, ja gar nicht damit rechnen können, sie jemals verwirklichen zu können, so dürfen wir die Forderung danach nicht aufgeben. Unbedingtes und Absolutes begegnen uns außer in der Stimme des Gewissens auch in der zwischenmenschlichen Liebe. In dem einen geliebten Menschen kann plötzlich alles neu werden. In einem seligen Augenblick vergeht alle Zeit, wir rühren mitten in der Zeit an die Ewigkeit. Soll dies alles am Ende nichts sein?

So leben wir immer in der Spannung zwischen unserer eigenen Endlichkeit und Unvollkommenheit einerseits und der Sehnsucht nach dem Unendlichen, Absoluten und Vollkommenen andererseits. Diese Spannung macht das Rast- und Ruhelose und das Unbefriedigtsein aus, das uns immer wieder überkommt. Ist diese Sehnsucht sinnlos? Müssen wir uns bescheiden und sie vergessen? Damit hätten wir das Geheimnis unseres Menschseins aufgegeben. Soll also das Menschsein nicht letztlich sinnlos und absurd sein, dann ist das nur möglich, wenn unserer Hoffnung auf das Absolute eine Wirklichkeit des Absoluten entspricht, wenn unser Fragen und Suchen Echo und Reflex auf den Ruf Gottes ist, der sich im Gewissen des Menschen meldet. Einen absoluten Sinn ohne Gott zu retten, wäre eitel (M. Horkheimer). Gott allein ist Antwort auf die Größe und das Elend des Menschseins. Wer an ihn glaubt, kann der Größe des Menschen gerecht werden, ohne dessen Elend verleugnen zu müssen. Wer an Gott glaubt, kann ganz realistisch sein.

Die Entscheidung für Gott erweist sich so als Entscheidung für den Menschen. Denn nur wenn Gott ist und wenn Gott die absolute Freiheit ist, die alles umgreift, alles lenkt und leitet, ist für den Menschen in dieser Welt ein Spielraum der Freiheit. Die Entscheidung für Gott bedeutet so die Entscheidung für die Freiheit und für die unbedingte Würde des Menschen. Nur wenn Gott ist, lagert der Mensch nicht am Rande eines Kosmos, der unempfindlich ist für seine Fragen und Nöte. Wenn aber Gott ist, dann bedeutet dies, daß letztlich nicht abstrakte Sachgesetzlichkeiten, nicht blinder Zufall und nicht ein anonymes
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