Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
Seite 320 Seite: 321 Seite 322

6.3. Friedenssicherung: Sicherheit für alle

Nächstenliebe und Menschenrechte sowie die Forderung nach Überwindung der Gewalt in den Beziehungen der Staaten fordern, Arme, Unterdrückte und Entrechtete wirksam gegen ihre Unterdrücker zu schützen, dem Unrecht zu wehren, Recht und Gerechtigkeit zu verteidigen.

Wer soll diesen Schutz leisten? Er ist Aufgabe der staatlichen Gewalt, die sich dafür im Interesse des Gemeinwohls unter Berücksichtigung der Angemessenheit im äußersten Fall auch staatlicher Machtmittel bedient. Staatliche Gewalt, die im Staat selbst das Recht auf der Basis der Menschenrechte wahrt und Unschuldige gegen Unterdrückung schützt, steht "im Dienst Gottes" (Röm 13,4).

Auch in ihren Außenbeziehungen haben die Staaten die Pflicht, friedliche Beziehungen zu den anderen Staaten zu entwickeln sowie durch Abmachungen, Verträge und die Fortentwicklung internationaler Institutionen dafür zu sorgen, daß Konflikte auf der Basis des Völkerrechts gewaltfrei gelöst werden. Dennoch sind Androhung und Anwendung kriegerischer Gewalt zwischen Staaten aus der politischen Praxis auch heute nicht auszuschließen. So stehen Politiker immer wieder vor der Frage, wie der Frieden wirksam gesichert werden kann.

Was sagt die Kirche zu dieser Aufgabe der Friedenssicherung? Ist es verantwortbar, Frieden notfalls auch mit militärischen Mitteln zu sichern? Die Antwort orientiert sich heute an dem Ziel, eine Friedensordnung für alle Völker auf der Basis eines allgemein anerkannten und verbindlichen Völkerrechts unter Beachtung der Menschenrechte zu schaffen (vgl. GS 84). Dabei stellte sich die Frage der sittlich erlaubten Gewaltanwendung für die Christen zu jeder Zeit neu.

Für die Christen der ersten drei Jahrhunderte stand diese Frage zunächst unter dem dreifachen Aspekt der Einstellung zum damaligen heidnischen Staat, der Teilnahme am heidnischen Opferkult, zu dem Soldaten als Zeichen der Loyalität gegenüber dem Kaiser verpflichtet waren, und der Teilnahme an Militärdienst und Krieg. In der Spannung zwischen Loyalität zum Staat als Ordnungsmacht und der Weigerung, am heidnischen Kult teilzunehmen sowie Menschen zu töten, kam es noch zu keiner einheitlichen Haltung.

Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde die Frage neu aufgeworfen, als die Christen im Staat selbst politische Verantwortung zu übernehmen hatten. Die Synode von
Seite 320 Seite: 321 Seite 322