ansprechen (vgl. aber Hos 4,1ff und Jer 7,9), so begegnen doch dessen Weisungen und Grundanliegen beständig in ihren Schriften. Sie bilden jeweils den Maßstab ihrer Anklagen und Appelle.
Die Propheten müssen in ihrer Zeit zumeist um die Durchsetzung des ersten Gebotes kämpfen. Dabei richten sie sich auch gegen die Bilderverehrung. Doch verstehen vor allem Jesaja und Hosea diese Grundweisung auch so, daß die Bundestreue gegenüber Gott auch dann gebrochen wird, wenn man im Gottesvolk auf irdische Macht oder auf politische Großmächte baut statt auf die Allmacht Gottes (vgl. Jes 7; 31,1-3; Hos 7,8-16; 12,1f; 14,4). Zum ersten Gebot gehört somit für die Propheten auch das Thema des Glaubens und des Vertrauens auf Gott allein.
Als gleichrangig mit der ersten mosaischen Tafel gilt im prophetischen Schrifttum die zweite mosaische Tafel. So tritt schon der Prophet Natan (um 1000 v. Chr.) gegen König David auf, weil er die Frau des Hethiters Urija zum Ehebruch verführte und ihren Mann heimtückisch zu Tode kommen ließ (2 Sam 12). Elija (um 850) bekämpft nicht nur den Abfall zum Baal, sondern belegt ebenso das Verbrechen des Königspaares am Freibauern Nabot und seiner Familie (Begehren fremden Eigentums, Anstiftung zum Meineid, Justizmord, Aneignung der Güter des Ermordeten) mit einem schweren Strafurteil (1 Kön 21).
Die Schriftpropheten bieten beeindruckende Zeugnisse dafür, daß Gott das mitmenschliche Ethos besonders am Herzen liegt. So sieht Amos (um 760 v. Chr.), der erste der Schriftpropheten, seinen Hauptauftrag im Einsatz für "Recht und Gerechtigkeit" im Gottesvolk. Nach Amos holt sich das Gottesvolk am "Zertreten des Menschen" (2,7; 8,4) den Tod. Aber auch die Völkerwelt wird wegen Unmenschlichkeit ins göttliche Strafgericht gestellt (1,3; 2,3). Hosea (ab 750) ruft Israel das Gotteswort ins Gedächtnis: "Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer" (6,6). Mangel an Gotteserkenntnis wird so umschrieben: "Fluch und Betrug, Mord, Diebstahl, Ehebruch" (4,2). Nach Jesaja (ab 740 v. Chr.) ist Jerusalem Sodom und Gomorra (1,10), weil keine mitmenschliche Gerechtigkeit mehr in der Stadt ist. Im Weinberglied (Jes 5) verwirft Gott seinen Weinberg Israel/Juda, weil er statt "Trauben" (Recht und Gerechtigkeit) nur "Stinklinge" (Gewalttat und Unrecht) dein
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