Band I - Dritter Teil Das Werk des Heiligen Geistes
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ganze Leben des Christen bestimmen muß. Doch schon bald machte die Kirche die Erfahrung, daß auch die Getauften der Versuchung der Sünde erliegen und abfallen können. Sie wußte freilich auch, daß Gott reich ist an Erbarmen (vgl. Eph 2,4) und dem umkehrwilligen Sünder die Möglichkeit zu einer neuen Bekehrung schenkt. So konnte der hl. Ambrosius sagen, in der Kirche gebe es "Wasser und Tränen: das Wasser der Taufe und die Tränen der Buße". Von der Kirche insgesamt gilt: "Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung" (LG 8).

Diese alltägliche Buße des Christen kann in vielfältigen Formen geschehen. Die Heilige Schrift und die Väter betonen vor allem drei Bußübungen: Fasten, Gebet und Almosen (vgl. Tob 12,8; Mt 6,1-18). Außer den grundlegenden Auswirkungen der Taufgnade und dem Erleiden des Martyriums nennen sie u. a. die Versöhnung mit dem Nächsten, die Tränen der Buße, die Sorge um das Heil des Nächsten, die Fürbitte der Heiligen und die Liebe. Hinzu kommen in der lebendigen Tradition der Kirche vor allem das Lesen der Heiligen Schrift und das Beten des Vaterunsers. Es müssen aber auch die vom Glauben inspirierten Vollzüge der Umkehr in der täglichen Lebenswelt genannt werden, z. B. Gesinnungswandel, gemeinsame Aussprache über Schuld und Sünde, Gesten der Versöhnung, brüderliches Bekenntnis und brüderliche Zurechtweisung. Auch gewisse Formen geistlicher Lebensführung wie die Lebensbetrachtung (révision de vie), das Schuldkapitel, die seelsorgerliche Aussprache sind Ausdrucksformen der Buße. Nicht zu vergessen sind die ethischen Folgen einer neuen Lebensorientierung: Änderung des Lebensstils, Aszese und Verzicht in vielen Weisen, Taten der Nächstenliebe, Werke der Barmherzigkeit, Sühne und Stellvertretung.

Alle diese Formen der alltäglichen Buße müssen einmünden in die gemeinsame Feier der Eucharistie. Sie ist das "Opfer unserer Versöhnung" (Drittes Hochgebet), denn sie ist die Vergegenwärtigung des ein für allemal dargebrachten Opfers Jesu Christi. Deshalb schenkt die Mitfeier der Eucharistie, vor allem die Kommunion, die Vergebung der alltäglichen Sünden und bewahrt vor schweren Sünden (vgl. DS 1638; NR 570). In der Feier der Eucharistie kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß sie mit einem Bußakt beginnt. Daneben gibt es noch andere Formen gottesdienstlicher Sündenvergebung. Nicht bloß
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