Band I - Erster Teil Gott der Vater
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des Menschen endgültig erschlossen. In Jesus Christus offenbart uns Gott sein Geheimnis als Geheimnis seiner unergründlichen Liebe. So bleibt er auch und gerade in seiner Offenbarung der verborgene Gott, dessen Liebe wir nur in menschlichen Bildern und Gleichnissen erfassen können.

6. Die Selbstoffenbarung Gottes und die Antwort des Glaubens

6.1 Offenbarung - der Weg Gottes zum Menschen

Schon im menschlichen Bereich gilt, daß uns das Innerste des Menschen, seine Gesinnung, weithin verborgen ist. Wie ein Mensch uns gesonnen ist, das muß er uns offenbaren, nicht allein durch das, was er uns sagt, sondern noch mehr durch das, was er tut. Wenn ein anderer uns sagt: "Ich liebe dich", dann können wir ein solches Wort letztlich nur in einem menschlichen Glauben als wahr und wirklich erkennen. Dies gilt noch viel mehr von Gott, der uns ein unergründliches Geheimnis ist.

Das Alte und das Neue Testament bezeugen auf jeder Seite: Gott, der den Menschen verborgen ist und der im unzugänglichen Lichte wohnt, ist aus seiner Verborgenheit herausgetreten und hat sein Geheimnis, "das seit ewigen Zeiten unausgesprochen war", geoffenbart (Röm 16,25; vgl. Eph 1,9). Der Mensch läuft deshalb bei seiner Suche nach Gott nicht ins Leere. Gott kommt ihm vielmehr entgegen. Gott thront nicht in unerreichbarer Ferne, er ist uns nahegekommen und gibt sich uns durch Wort und Tat zu erkennen. Er offenbart uns nicht nur, daß er ist, sondern daß er Jahwe (vgl. Ex 3,14), der Immanuel, der Gott mit uns ist, daß er uns in seine Gemeinschaft einlädt und aufnimmt. Er hat sich nicht gescheut, "unser Gott" zu heißen (vgl. Hebr 11,16). Er ist "der Gott der Hoffnung" (Röm 15,13).

Gott offenbart sich seit dem Ursprung der Welt durch die Schöpfung, besonders durch das Gewissen des Menschen und seine Führung in der Geschichte. Es gibt also eine allgemeine Geschichte der Offenbarung Gottes. Die Bibel berichtet an verschiedenen Stellen von "heiligen Heiden", die Zeugen des lebendigen Gottes sind: Abel, Henoch, Melchisedek, Ijob u. a. Denn Gott "will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2,4). Deshalb lehrt das II. Vatikanische Konzil:
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