Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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sind dadurch ausgezeichnet, daß sie vorbehaltlos die Erhaltung ihres Lebens und ihre Rettung vor dem Untergang von Gott erwarten. Ihre Grundhaltung ist Vertrauen und Hingabe an Gott, "den Vater der Waisen und Witwen" (Ps 68,6), den Helfer der Armen (Jak 2,5).

Jesus greift diese Erwartung auf und bezieht sie auf alle Menschen. Die Güter des Himmelreiches sind und bleiben den "Armen" zugesagt. Aber arm ist der einzelne nicht einfach aufgrund seines Schicksals; auch die schicksalhafte Armut muß und kann gewendet werden zur Einsicht in die wahre Bedürftigkeit und zur Aussicht auf die Güter des Himmelreiches. Diese Armut, in Mt 5,3 als "Armut vor Gott" bezeichnet, wird zur Einlaßbedingung für alle, die berufen sind, in das von Jesus verheißene Himmelreich einzugehen. Daher gilt auch für uns: Die Armut vor Gott ist unsere eigentliche Chance.

Die Seligpreisung der Armen wie auch die folgenden Seligpreisungen Jesu wecken Hoffnung bei den Betroffenen; sie lassen sie nicht nur ausschauen auf die verheißenen Güter, sondern sie bewegen sie Jesus schon in der Gegenwart und beflügeln sie zu einer aktiven Nachfolge Jesu. Den "Trauernden" teilt sich der verheißene Trost nicht erst am Ende, sondern auch jetzt schon lösend und erlösend mit. Jesu Verkündigung bewirkt auch, daß die Menschen sich ändern und wahrnehmen, daß nicht den Gewalttätigen, sondern den "Sanftmütigen" (die keine Gewalt anwenden) das Land der Verheißung zufallen wird. Die Zukunft greift schon in die Gegenwart vor. Die Gegenwart ist nicht nur die Zeit des "Hungerns und Dürstens", sondern auch schon die Zeit Gottes, in der er seine "Gerechtigkeit" aufrichtet und gegen alle Ungerechtigkeit der Menschen wirken läßt.

Mit der Seligpreisung der "Barmherzigen" beginnt eine zweite Strophe der Bergpredigt. In ihr zeigt sich noch stärker als in der ersten Strophe das aktive Moment der Nachfolge, das Jesus bei seinen Hörern herausfordert. Im Indikativ der Anrede an die "Barmherzigen", an die, die "ein reines Herz" haben, an die "Friedensstifter" und die, die um der Nachfolge willen "verfolgt werden", ist unüberhörbar ein Imperativ angelegt, wodurch der Bewährung der genannten Grundeinstellungen ein besonderes Gewicht zukommt. Christen bewähren sich dadurch, daß sie unter dem Eindruck der verheißenen und mit Jesus schon nahegekommenen Gottesherrschaft die bestehenden Nöte
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