den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf" (DV 21). Um die Gegenwart Gottes in Jesus Christus durch das Wort der Heiligen Schrift auszudrücken, wird das Evangelienbuch bei der festlich begangenen Liturgie feierlich hereingetragen und verehrt.
Das Wort Gottes fällt nicht vom Himmel herab; es erreicht uns nur durch menschliches Wort. Daß Gott Urheber der Heiligen Schrift ist, schließt darum nicht aus, sondern schließt sogar notwendig ein, daß die einzelnen Bücher der Heiligen Schrift Menschen als Verfasser haben. Sie haben das Wort Gottes in der Sprache ihrer Zeit, den Bedingungen ihrer Zeit und Kultur entsprechend, mit Hilfe der damals üblichen literarischen Gattungen zum Ausdruck gebracht. Will man die Heilige Schrift recht auslegen, dann muß man auf die Aussageabsicht der biblischen Verfasser achten und dadurch zu verstehen suchen, was Gott uns durch sie kundtun wollte. Man muß also "genau auf die vorgegebenen umweltbedingten Denk-, Sprach- und Erzählformen achten, die zur Zeit des Verfassers herrschten, wie auf die Formen, die damals im menschlichen Alltagsverkehr üblich waren" (DV 12). Diese Menschlichkeit und Geschichtlichkeit der Heiligen Schrift gehört zur "Herablassung" Gottes, die in der Menschwerdung Jesu Christi ihren Höhepunkt erreicht hat (vgl. DV 14).
Zur Menschlichkeit und Geschichtlichkeit der Heiligen Schrift gehört auch, daß die einzelnen Schriften des Neuen Testaments in der frühen Kirche und für die frühe Kirche bzw. für die frühen Gemeinden entstanden sind. Ihren "Sitz im Leben" haben sie in der frühchristlichen Verkündigung, Liturgie, Katechese, Apologetik und in den konkreten Problemen der Gemeindeordnung. Die frühe Kirche war es auch, die die verschiedenen Schriften des Neuen Testaments gesammelt und mit dem Alten Testament zusammen zum Kanon erklärt hat. So ist die Heilige Schrift ein Buch der Kirche. Man kann sie nur dann recht verstehen, wenn man sie aus dem Leben, dem Geist und dem Glauben der Kirche, in dem sie entstanden ist, interpretiert. Im Hören auf die Heilige Schrift gilt es also, die Glaubenszeugen aller Jahrhunderte mitzuhören. Die Heilige Schrift ist nicht dem einzelnen Schriftausleger in die Hand gegeben, sondern der Kirche insgesamt geschenkt. Die Kirche als ganze ist das umgreifende Wir des Glaubens.
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