Liebe geht es um die innere Offenheit des Menschen auf Gott hin; man nennt sie theologische Tugenden, weil sie unmittelbar auf Gott bezogen sind. Sie werden uns geschenkt, wenn wir in der Taufe als Gotteskinder angenommen werden. Sie durchdringen, weil unser Festhalten an Gott auch unser ganzes Leben durchdringen soll, unser gesamtes Tun und Lassen. So wirken sie sich aus in den sogenannten sittlichen Tugenden, in denen wir das richtige Verhältnis zu unseren Mitmenschen und zu den Aufgaben unseres Lebens gewinnen. Solche sittlichen Tugenden entstehen nicht von selbst; von Gottes Gnade getragen, müssen wir uns um sie bemühen; so nennt man sie auch erworbene Tugenden. Unter ihnen kommt den sogenannten "Kardinaltugenden" Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maßhalten besondere Bedeutung zu. Sie werden "Kardinaltugenden" (Cardo = Türangel) genannt, weil sich um sie das ganze sittliche Leben dreht.
1.1. Glaube
Der Hebräerbrief umschreibt den Glauben als "Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugt-Sein von Dingen, die man nicht sieht" (Hebr 11,1). Der Glaube wird hier ganz im Blickfeld der Hoffnung gesehen. Vorbilder für einen solchen Glauben sind Abel, Henoch, Noach und besonders Abraham. "Abraham glaubte dem Herrn, und der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an" (Gen 15,6).
Die Heilige Schrift versteht unter Glauben weder ein einfaches Meinen noch ein bloßes Überzeugtsein der Vernunft. Das Hebräische verwendet eine Reihe von Ausdrücken für das mit Glauben Gemeinte. Dabei werden besonders die Wurzeln "aman" (vgl. Amen) im Sinne von Festsein, Sich-Halten an etwas und "batah" im Sinne von Gewißsein und Vertrauen verwendet. Glauben bedeutet also vor allem ein Sich-Gründen des Menschen in Gott. Dieses gibt ihm Sicherheit und Grundvertrauen auf Gott, in dem er sich geborgen weiß.
Glauben betrifft den ganzen Menschen. Im Glauben richtet er sich auf Gott aus. Glauben heißt leben, wie es der Zuwendung Gottes entspricht. Deshalb ist Glaube auch Vollzug der Sittlichkeit. Sittlich schlechtes Handeln wird dem Anspruch des guten Gottes nicht gerecht; unser Handeln ist sittlich gut, insofern es auf das Gute überhaupt und damit auf den Guten, auf Gott