Band I - Erster Teil Gott der Vater
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Muß also ein katholischer Christ alle Dogmen kennen, und muß er, wenn er sie kennt, auch alle glauben? Darauf ist schlicht zu antworten: Wer so glaubt wie Abraham, wer in der Nachfolge Jesu seinen Weg geht, und wer dies in und mit der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden tut, der glaubt nicht nur einen Teil, sondern einschlußweise den ganzen Glauben, der nicht eine äußere Summe einzelner Sätze, sondern ein Ganzes darstellt, das die einzelnen Sätze nur auslegen und absichern. Wieweit der einzelne Christ diese Entfaltungen kennen muß, hängt von seiner Aufgabe in der Kirche und auch vom Grad seiner übrigen Bildung ab. In der gegenwärtigen Glaubenssituation kommt es sicherlich mehr darauf an, daß wir uns auf den einen Glauben in den vielen Glaubenssätzen konzentrieren, statt diesen immer mehr in Einzelsätze hinein auszulegen. In diesem Sinn muß unser Glaube gerade heute wieder einfacher werden! Das heißt nicht, ihn zusammenzustreichen und zu simplifizieren. Denn das Gesagte bedeutet auch, daß man kein einzelnes Dogma aus dem Ganzen herausbrechen und leugnen kann, ohne die Struktur des Ganzen zu zerstören.

So kommen wir zurück auf die frühere Aussage: Der Glaube ist ein alles umfassender Lebensentwurf und eine ganzheitliche Daseinshaltung. Dieses Ganze ist nicht ein Satz oder eine Summe von Sätzen, sondern ein Trauen und Bauen auf Gott, so wie er sich uns in Jesus Christus erschlossen hat. Deshalb glaubt man nicht an Dogmen, so wie man an Gott, Jesus Christus, den Heiligen Geist glaubt. Man glaubt die Dogmen als eine konkrete Vermittlungsgestalt dieses einen Inhalts des Glaubens. Nicht die Dogmen begründen die Wahrheit des Glaubens, die Wahrheit des Glaubens begründet die Dogmen. Sie sind nicht wahr, weil sie verkündet wurden, sie wurden vielmehr verkündet, weil sie der Wahrheit entsprechen. Wir brauchen sie, um die eine Wahrheit des Glaubens gemeinsam und eindeutig bekennen zu können. So weisen sie über sich hinaus auf die Wahrheit, daß Gott der allmächtige Vater und der Vater Jesu Christi ist. Auf diese Wahrheit kommt alles an. Ihr müssen wir uns nunmehr zuwenden.
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