Band I - Erster Teil Gott der Vater
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und will (vgl. Mt 10,30). Vor allem die Gleichnisse zeigen, wie wir in allen Vorgängen im Leben der Menschen Spuren Gottes und seines Wirkens entdecken können. Deshalb mahnt Jesus: Sorget nicht ängstlich! (vgl. Mt 6,25.31), fürchtet euch nicht! (vgl. Mt 10,31). Wie für das Alte Testament ist auch für Jesus Gott der Herr der Geschichte, der hilft und heilt, befreit und erlöst, der hier und heute Neues wirkt und der dies alles nicht nur in der Innerlichkeit des Herzens, sondern auch am Leib des Menschen tut. Nichts zeigt dies deutlicher als die Wundertaten Jesu. Jesus versteht sie nicht als spektakuläre Krafttaten, sondern als Machttaten Gottes durch ihn (vgl. Mt 12,28; Lk 17,21), und er lehrt seine Hörer, an den Gott, dem alles möglich ist, zu glauben und ihn im Glauben zu bitten. Für den Glauben gibt es nichts Unerreichbares; "alles kann, wer glaubt" (Mk 9,23). Der Glaube setzt gleichsam Gottes gütige Allmacht in Bewegung und vermag dadurch sogar Berge zu versetzen (vgl. Mk 11,23; 1 Kor 3,2).

Trotz dieser Nähe zum Alten Testament und zum Judentum ist das Ganze der Gottesverkündigung Jesu doch auf einen neuen Ton gestimmt und insofern unverwechselbar und einmalig. Der zentrale Inhalt der Verkündigung Jesu ist, daß das vom Alten Testament erhoffte Reich Gottes jetzt nahe herangekommen (vgl. Mk 1,14-15) und in seinen Worten, Taten und in seiner ganzen Person im Anbruch ist. Aber er sieht den Anbruch der Herrschaft Gottes nicht wie Johannes der Täufer im Zeichen des Zornes, sondern der Gnade, des Erbarmens und des Vergebens Gottes. Seine Botschaft von Gott ist Freudenbotschaft, wie sie vor allem in den Seligpreisungen der Bergpredigt zum Ausdruck kommt (vgl. Mt 5,3-12). Diese Freude gilt bei Jesus nicht zuletzt den Sündern, die umkehren und seinem Ruf folgen. Sie dürfen gewiß sein, daß Gott für sie wie ein Vater ist, der auf den verlorenen Sohn wartet, ihm vergibt, ihn in alle Sohnesrechte neu einsetzt und sogar ein großes Freudenfest mit ihm veranstaltet (vgl. Lk 15,11-32). Diese Botschaft von Gott als grenzenloser Liebe ist die innerste Mitte von Jesu Sprechen von Gott.

Zusammenfassender Ausdruck von Jesu Freudenbotschaft von Gott ist die Tatsache, daß Jesus Gott in ganz einmaliger Weise als Vater anredet und uns lehrt zu sagen: "Unser Vater" (Mt 6,9; vgl. Lk 11,2). Jesus wagt im Gespräch mit Gott sogar die traut-familiäre Anrede "abba" (vgl. Mk 14,36). Wie sehr die
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