Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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"Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34).
Neu ist es nicht gegenüber der Formulierung des alttestamentlichen Gebotes "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Lev 19,18), sondern neu ist Verständnis im Blick auf die in Jesus sichtbar und greifbar gewordene Liebe Gottes. Sie soll in der Kirche weiterwirken (vgl. 1 Joh 2,8). Wie Jesus die Seinen bis zum äußersten geliebt hat (Joh 13,1), so müssen auch wir bereit sein, für die Brüder und Schwestern das Leben hinzugeben (vgl. 1 Joh 3,16). Der Christ wird in die Liebesbewegung einbezogen, die von Gott ausgeht, sich in der Liebe Jesu bekundet und in der Liebe der Seinen Frucht trägt. Sie soll zu deren Kennzeichen werden (Joh 13,35). Weil uns Gott zuerst geliebt hat, können wir einander lieben (1 Joh 4,10).

1.4. Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue

Glaube, Hoffnung und Liebe wirken sich im sittlichen Handeln aus. Sie führen zu Verhaltensweisen, die als "sittliche Tugenden" bezeichnet werden. Als solche heben sich aus der Bibel Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue hervor. Gegenüber einer engen und ängstlichen Gesetzesgerechtigkeit gelten diese drei Tugenden als das sittlich Geforderte (Mt 23,23b). Sie sind das "Wichtigere" im Gesetz.

Gerechtigkeit ist nach dem Verständnis der Bibel Gottesgabe und Verheißung, die von den Menschen ein gemeinschaftsentsprechendes Verhalten erwartet. Gerechtigkeit bedeutet somit in diesem Zusammenhang - über die Gebundenheit an das Gesetz mit seinen Rechtsvorschriften hinaus - eine mitmenschliche Haltung, die bemüht ist, nach der Weisung Gottes jedem Menschen das Seine zukommen zu lassen. Sie ist somit der feste und beständige Wille, jedem sein Recht zu gewährleisten.

In der Heiligen Schrift wird das damit begründet, daß Gott gerecht ist und gerechte Taten liebt. "Wer rechtschaffen ist, darf sein Angesicht schauen" (Ps 11,7). Der König, der eine gerechte Herrschaft ausübt, der das Recht liebt und das Unrecht haßt, wird von Gott mit dem Öl der Freude gesalbt (Ps 45,7). Gott schafft auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit (Jer 9,23). Unter den Geboten des Heiligkeitsgesetzes heißt es: "Du
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