Urgemeinde davon überzeugt war, daß hier Jesu ureigenster Sprachgebrauch vorliegt, geht aus der Tatsache hervor, daß ihr dieses Wort "abba" so heilig war, daß sie es auch in griechischen Texten im ursprünglichen aramäischen Wortlaut überliefert hat (Gal 4,6; Röm 8,15). So war man in der Kirche von Anfang an überzeugt, daß das eigentlich und spezifisch Christliche in einer intimen persönlichen Gemeinschaft mit Gott besteht und im Wissen, Kind, Sohn, Tochter Gottes zu sein. Zugleich darf der Christ wissen: Wer Gott "Vater" nennt, hat Brüder und Schwestern; er steht nie einsam und allein vor seinem Vater. Von dem einen gemeinsamen Vater her bildet sich die neue Familie, das neue Volk Gottes als Anfang der einen neuen Menschheit.
Trotz aller familiären Vertraulichkeit, die für die Vateranrede Jesu charakteristisch ist, darf sie doch nicht verniedlichend mißverstanden werden. Jesus spricht nicht einfach vom "lieben Gott". Im Gegenteil, die Vateranrede Jesu bringt Gottes Gottsein in ganz unerhört neuer Weise zum Ausdruck. Für die patriarchalisch geordnete Großfamilie Palästinas ist der Vater immer auch der Herr. Zu Jesu Botschaft von Gott gehört auch das Drohen mit dem Gericht über alles Böse, das sich Gott widersetzt und den Menschen entwürdigt. Zum "Selig ihr!" gehört auch das "Weh euch!" (vgl. Lk 6,20-26; 11,42-52). In Heil und Gericht erweist sich gleichermaßen Gottes Allmacht. Nur wenn Gott allmächtig ist, kann seine Liebe in jeder Situation wirkmächtig helfen und gegen alle Mächte und Gewalten des Bösen die Herrschaft der Liebe heraufführen. Nur wenn Gott die Allmacht der Liebe ist, bedeutet seine Liebe keine naive Verklärung der Welt, sondern deren Infragestellung und schöpferische Verwandlung. Nur eine allmächtige Liebe kann der Grund unserer Hoffnung sein.
Gottes Allmacht in der Liebe, wie Jesus sie verkündet und gelebt hat, hat sich vor allem in Tod und Auferweckung Jesu erwiesen. Im Sterben Jesu hat sich Gott in letzter Radikalität dem Verstoßenen und Ohnmächtigen zugewandt und "ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt" (Apg 2,24). Durch Jesu Tod und Auferweckung wissen wir endgültig, wer Gott ist: der Gott, der die Toten lebendig macht (vgl. Röm 4,17; 2 Kor 1,9). Jesu Tod und Auferweckung sind die abschließende und zusammenfassende Offenbarung Gottes, seiner schöpferischen Treue und seiner Allmacht in der Liebe. In Jesu
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