Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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sollst deinen Nächsten nicht ausbeuten und ihn nicht um das Seinige bringen . . . Du sollst in der Rechtsprechung kein Unrecht tun" (Lev 19,13.15), und im Deuteronomium heißt es: "Du sollst das Recht nicht beugen. Du sollst kein Ansehen der Person kennen . . . Gerechtigkeit, Gerechtigkeit - ihr sollst du nachjagen, damit du Leben hast" (Dtn 16,19f). Die Propheten werden nicht müde, gegenüber einer veräußerlichten Kultfrömmigkeit Taten der Gerechtigkeit und Liebe zu fordern. "Ist nicht das ein Fasten, wie ich es liebe: ungerechte Fesseln lösen, Stricke des Jochs entfernen, Gefolterte freilassen, jedes Joch zerbrechen?" (Jes 58,6).

Die mitmenschliche Gerechtigkeit ist nach dem Zeugnis der Propheten ein Grundanliegen des Bundesgottes (Am 5,21-24; Jes 5,1-7), ja die Menschenrechte sind nach ihrem Zeugnis Gottesrecht. Weil Gott zu seinem Volk gerecht ist und es in Gerechtigkeit führt, soll im Volk Gerechtigkeit herrschen. Wer in Gerechtigkeit vor Gott wandelt, bestätigt dadurch den Bund mit Gott. Wie eine Zusammenfassung der alttestamentlichen Weisung klingt das Wort des Propheten Micha: "Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet. Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott" (6,8).

Das sind die "wichtigeren" Gebote, wie sie auch bei Matthäus (23,23) aufgezählt werden. "Rechttun" steht als umfassender Ausdruck für das rechte Verhalten zum Mitmenschen voran; in der Güte und Treue soll es sich bewähren. Gerechtigkeit muß sich besonders im Beistand für die ungerecht Behandelten, die Benachteiligten und Unterdrückten erweisen. Das Unrecht an ihnen soll durch Wiederherstellung des Rechts beseitigt werden. Denen, die von einem persönlichen schweren Schicksal betroffen sind, wie etwa Behinderung oder Unfall, soll sozialgerechte Hilfe gewährt werden. Die Sachgerechtigkeit ist nicht der einzige Maßstab, nach welchem Recht zuzumessen ist, dazu muß noch die sein Personengerechtigkeit kommen, die dem einzelnen nach seiner Veranlagung, seinem Werdegang, seinem Schicksal gerecht zu werden versucht.

Für Jesus ist in der Bergpredigt das "Suchen der Gerechtigkeit Gottes", das heißt das Bemühen um die von Gott geforderte und durch ihn ermöglichte Gerechtigkeit, neben dem Suchen des Reiches Gottes der dringlichste Anruf (Mt 6,33). Man soll
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