"hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit" (Mt 5,6), wie auch Jesus gekommen ist, um alle Gerechtigkeit in seiner Person zu erfüllen (Mt 3,15). Selig werden die gepriesen, die "um der Gerechtigkeit willen" verfolgt werden (Mt 5,10). Die Gerechtigkeit der Jünger Jesu soll größer sein als die der Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt 5,20). Wie die anschließenden Antithesen (Mt 5,21-48) zeigen, ist damit ein Tun gemeint, das die bekannten Gebote des Dekalogs in einer neuen und tieferen Weise befolgt. Im ganzen ist "Gerechtigkeit" ein umfassender Ausdruck für die von den Christen geforderte Sittlichkeit. Dabei liegt der besondere Nachdruck auf dem Handeln nach dem Vorbild Gottes und Jesu. Nicht Worte oder Begeisterung sind entscheidend, sondern das Tun (Mt 7,21.24-27; 21,28-31).
Das "größere" Maß der Gerechtigkeit, die Jesus hier in seiner Botschaft vom Reich Gottes fordert, ist nicht ein quantitatives Mehr gegenüber den im Alten Testament formulierten Geboten; vielmehr will Jesus, daß wir der neuen Situation gerecht werden, die durch seine Ansage des nahegekommenen Reiches Gottes (vgl. Mk 1,15) gegeben ist: Gott ist nicht nur Ziel und Horizont unseres menschlichen Handelns, sondern er gibt sich in Jesus mitten hinein in unsere Geschichte und in unser Leben, und so kann diesem Gott nur derjenige gerecht werden, der bis in die innerste Faser seines Herzens und bis in die äußerste Konsequenz seines Handelns sich diesem gegenwärtigen, uns in seiner Liebe unmittelbar nahen Gott stellt.
Neben der Gerechtigkeit gehört die Barmherzigkeit zu den Tugenden, die Jesus im Anschluß an die Propheten nachdrücklich betont (in Mt 9,13 und 12,7 zitiert er Hos 6,6). In vielen Gleichnissen spricht er davon, so in der sein Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-35), vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme (Lk 15,1-10), vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) oder vom unbarmherzigen Gläubiger (Mt 18,23-35).
Jesus selbst hat in vielen Situationen ein Herz für die Armen und Notleidenden gezeigt, indem er "alle Kranken heilte, die zu ihm kamen" (Lk 6,19), wenn es sich ergab sogar am Sabbat (Mk 3,1-6 par.). Er vergab den Sündern (vgl. Lk 7,36-50 par.) und verhieß noch dem Schächer am Kreuz das Paradies (Lk 23,43). Jesus tadelt die Unbarmherzigkeit der Pharisäer, die zwar den anderen schwere Lasten auferlegen, sie selbst aber mit keinem Finger berühren (Lk 11,46).
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