Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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ihnen zeigt sich, daß Liebe und Barmherzigkeit sich äußern müssen und daß schöne Worte nicht genügen (vgl. Mt 21,28-31). Die Werke der Barmherzigkeit sind eine Vergegenwärtigung des göttlichen Erbarmens.

Zu den Ausfaltungen der Liebe gehört neben Gerechtigkeit und Barmherzigkeit die Treue (Mt 23,23). Wir können uns Gott anvertrauen, weil Gott selbst treu ist (Ps 31,6; Dtn 32,4; Gen 15,7f). Er läßt sich in seiner Treue nicht beirren, auch nicht durch die Untreue des Menschen (Hos 11,1; Jes 31,20). Der Gedanke der Treue Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch das Alte und Neue Testament. "Der Herr ist treu; er wird euch Kraft geben und euch vor dem Bösen bewahren" (2 Thess 3,3). Ebenso wird die Treue Christi hervorgehoben, der der treue Zeuge ist (Offb 1,5; 3,14; vgl. 19,11). Die Treue soll deshalb auch zum Kennzeichen derer werden, die den Namen "Christen" tragen. Sie sollen von der Treue Christi Zeugnis geben und für andere Menschen Vorbilder der Treue sein.

Treue ist nicht starres und unbewegliches Festhalten an etwas oder an einer Person, sondern der feste Wille, sich für eine Person oder für einen hohen Wert auf Dauer zu entscheiden. Treue ist die Festigkeit der Liebe. Treue gibt der Liebe Gestalt in der Dauer der Zeit. Sie schließt das Wagnis des Vertrauens ein und hält auch bei Enttäuschungen an ihrer Zusage fest. Wer sich auf dieses Wagnis einläßt und sich in eine Zukunft hinein festlegt, die noch offen ist, gibt sein seinem Leben eine feste Ausrichtung. Das Höchste, dem sich menschliche Treue hingeben kann, ist Gott selbst.

Treue bewährt sich in der Zuverlässigkeit. Auch die Beziehung zu Gott lebt von der Treue. Diese erweist sich in Situationen äußerster Herausforderung als Festhalten an Gott bis zum Martyrium. Sie zeigt sich aber auch in vielen Dingen, die unseren Glauben stärken und wachhalten: in Gebet, Andacht und Meditation, besonders aber in der Zuwendung zu den Menschen.

Neben Glaube, Hoffnung und Liebe und deren Ausfächerungen in Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue weist die Heilige Schrift noch auf andere Grundhaltungen wie Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Sanftmut und Selbstbeherrschung hin (Gal 5,22f). Sie werden "Früchte des Geistes" genannt. Solche Aufzählungen von Tugenden sind auch in der antiken Ethik
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