bekannt. Während diese jedoch menschliche Haltungen beschreiben, die aus einem natürlichen Wohlverhalten erwachsen, aus Anständigkeit, Sitte und daraus strömender Freude, erfließen die "Früchte des Geistes" aus dem Wirken des Heiligen Geistes, der den Christen verliehen ist, "denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Röm 5,5). Dadurch wird die natürliche Sittlichkeit nicht abgewertet, denn Paulus schreibt den Philippern: "Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und liebenswert ist, darauf seid bedacht" (Phil 4,8). In dem Schönen und Beglückenden eines Lebens aus den Grundhaltungen, die wir "Tugenden" nennen, eines Lebens, das auch nichtgläubige Menschen erfahren können, sieht der Christ das Wirken des Heiligen Geistes. Den Menschen werden Gnadengaben (Charismen) geschenkt, unter denen nicht nur außergewöhnliche Gaben zu verstehen sind, sondern auch Fähigkeiten zum Umgang mit anderen, zum Dienen, Trösten und Ermahnen, vor allem zur Liebe (vgl. Röm 12,7-13). Die Liebe umgreift und übersteigt alle Charismen (1 Kor 13). Sie steht auch unter den Tugenden, die der Galaterbrief nennt (5,22), an erster Stelle. Aus ihr erwachsen jene anderen Haltungen, die teils Frucht der Liebe sind wie sein Freude und Friede, teils Ausfaltungen der Liebe wie Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Die christlichen Tugenden spiegeln die ausstrahlende Kraft der Liebe wider. Hieran zeigt sich das Neue, das mit dem christlichen Ethos in die Welt gekommen war. sein
1.5. Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maßhalten
In der christlichen Tradition spielen neben den beschriebenen biblischen Grundhaltungen die vier Kardinaltugenden eine besondere Rolle. Schon im alttestamentlichen Buch der Weisheit sind sie genannt (vgl. 8,7). Ihre ersten Beschreibungen stammen aus der griechischen Philosophie. Bei Plato haben die Kardinaltugenden einen doppelten Bezugsrahmen; zum einen werden die Tugenden auf die unterschiedlichen Stände des (Stadt)Staates, den Lehr-, Wehr- und Nährstand, zum anderen auf die Schichten des menschlichen Seelenlebens, das heißt auf den vernünftigen, den gemüthaften und den triebbestimmten Bereich bezogen. In der Seele rangiert der vernünftige Teil als lenkende Instanz an erster Stelle, im Staat sollte der Weise