Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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In der Gegenwart kommt der sozialen Gerechtigkeit besondere Bedeutung zu. Sozialgerecht ist, was das Gemeinwohl verlangt, gleichviel ob schon in Gesetzen formuliert oder nicht. Als solidarische Gemeinschaft muß die Menschheit auf das Wohl aller, besonders der Benachteiligten, gerichtet sein. Der Glaube ist eine Orientierungshilfe in der Wahrnehmung solidarischer Verantwortung: für das Recht der ungeborenen Kinder, für körperlich und psychisch Behinderte, für alte und sterbende Menschen, für gesellschaftliche Außenseiter, für Vertriebene und Asylsuchende, für Ausländer und für eine gerechte politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung in der Welt. Durch die Hinordnung auf Gott erlangen alle diese Forderungen eine tiefere Begründung und eine stärkere Kraft. Gott schenkt den Menschen die Fähigkeit zu gerechtem Verhalten und fordert es ein. Aus der Gnade erfließt der sittliche Anruf und Anspruch zum Handeln in Gerechtigkeit (vgl. dazu auch das vierte und siebte Gebot).

Die Tugend der Tapferkeit besteht in der Standhaftigkeit des Zeugnisgebens. Sie gibt die Kraft, Widerstand zu leisten, wo das Gewissen es gebietet, auch auf die Gefahr hin, daß jemand dabei sein Leben riskiert. Höchste Form der Tapferkeit ist das Zeugnisgeben im Martyrium. Jesus selbst verwendet das Wort Tapferkeit nicht, aber lebt sie vor und weiß, daß seine Jünger Kraft brauchen, wenn sie zum Zeugnis gerufen sind. "Wenn man euch vor Gericht stellt, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt. Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden" (Mt 10,19f). Die Haltung der Tapferkeit befähigt den Menschen dazu, zu sich und zu dem zu stehen, was seine Überzeugung ist, auch in Situationen äußerster Gefahr. Tapferkeit ist jene Tugend, in der wir auch gelernt haben sollen, nicht nur mit äußeren Gefahren in rechter Weise umgehen zu können, sondern auch mit Ängsten in uns. So tun, als ob es diese Ängste nicht gäbe, wäre unrealistisch und würde einer Tollkühnheit Vorschub leisten. Eine zu große Schwäche den Ängsten gegenüber würde zur Feigheit führen.

Das Bekenntnis des Christen für den Glauben verlangt, auch gegen den Strom zu schwimmen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Haltung ist, daß jemand zutiefst von der Sache, für die er einsteht, überzeugt ist; er muß ihren Wert erfahren haben.
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