Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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etwa Glaubensabfall, Mord oder Ehebruch. In der frühen Kirche erfolgte bei diesen Tatsünden ein Ausschluß aus der Kirchengemeinschaft. Manchmal können aber auch Zweifel daran bestehen, ob ein bestimmter Sachverhalt so bedeutend ist, wie das für eine schwere Sünde vorauszusetzen ist. Solche Zweifel sind nie nur durch den Verweis auf den äußeren Sachverhalt zu lösen, sondern es muß die Frage einbezogen werden, wieweit eine klare Erkenntnis und eine volle Zustimmung vorhanden sind. Schon in der Grundeinstellung kann es tiefgehende Fehler geben. Papst Gregor der Große (+ 604) bezeichnet solche schlechten Grundeinstellungen als Wurzelsünden: Überheblichkeit, Neid, Zorn, Geiz, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit. Petrus Lombardus (+ 1160) nennt als Hauptsünden: Vermessenheit, Verzweiflung, Ablehnung der erkannten Wahrheit, Neid über die Begnadung anderer, Verstocktheit und Unbußfertigkeit.

Im Unterschied zur schweren Sünde sind bei der leichten Sünde Freiheit oder klare Erkenntnis eingeschränkt oder es liegt ein weniger wichtiger Sachverhalt vor. Der überkommene Sprachgebrauch von läßlicher oder leichter Sünde darf aber nicht dazu führen, die läßlichen oder leichten Sünden für bedeutungslos zu halten.

Mit der Todsünde ist unmittelbar das Verhältnis des Menschen zu Gott und seiner Gnade gemeint: Todsünde bedeutet die entschiedene Ablehnung des Willens Gottes und damit den Verlust der heiligmachenden Gnade. Ob im Einzelfall tatsächlich eine Todsünde vorliegt, ist mit letzter Gewißheit nicht zu entscheiden.

Die Kirche hat den Unterscheidungen zwischen schwerer und leichter bzw. Todsünde und läßlicher Sünde im Zusammenhang mit dem Bußsakrament besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Abgrenzungen können auch Mißverständnisse mit sich bringen und dazu führen, daß leichte Sünden entweder verharmlost oder überschätzt werden und in Gewissensängste treiben. Letztlich ist es Gott, der über uns zu richten hat, und nicht wir selbst: "Denn wenn das Herz uns auch verurteilt, Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles" (1 Joh 3,20). Wir dürfen darauf vertrauen, daß Gott uns in Barmherzigkeit begegnen wird.
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