Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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Unverzichtbarer Bestandteil der Umkehr ist die Reue als Abscheu gegenüber den begangenen Sünden, verbunden mit dem Vorsatz, nicht mehr zu sündigen. In der Reue distanziert sich der Mensch von einer begangenen Tat. Zwar kann er die Tat selbst und oft auch ihre Folgen nicht mehr rückgängig machen, aber er kann in der Reue seinen Willen ändern und die begangene Tat bedauern. Dieses Bedauern ist ein heilsamer Vorgang, bei dem sich der Sünder vom Bösen wegwendet und sich wieder auf das Gute, auf Gott hin ausrichtet, denn jede Reue trägt in sich "den Bauplan eines neuen Herzens" (Max Scheler).

Zur Reue gehört die Einsicht in das Böse des eigenen Handelns. Ohne diese Einsicht ist wahre Reue nicht möglich. Häufig ist Reue ausgelöst durch den Blick auf die Folgen, die das eigene Tun bei einem selbst oder auch bei anderen gehabt hat.

Der Mensch kann sich aber auch der Einsicht in das Böse und damit der Reue und Umkehr entziehen. Der eine versucht, seine Schuld zu verdrängen. Ein anderer versucht, sie zu kompensieren, indem er sich in einem anderen Bereich besonders anstrengt. Ein dritter redet sich ein, er habe gar nicht anders gekonnt. Wieder ein anderer bekennt sich trotzig zu seiner Tat. Ungenügendes Ernstnehmen der eigenen Schuld liegt vor, wenn jemand zwar bedauert, daß er die Tat begangen hat, sich aber nicht bemüht, sich zu bekehren. Bloße Trauer über das Geschehene genügt nicht. Wo jemand zwar darüber traurig ist, daß er sich schuldig gemacht hat, sich aber nicht zur Umkehr aufrafft, kann die Trauer eher lähmend sein als zur Änderung bewegen.

Das griechische Wort für Umkehr: metanoia, zu der Jesus auffordert (Mk 1,15), bedeutet ursprünglich soviel wie nachträglich erkennen, den Sinn ändern, "den Geist umwenden, um ihn auf Gott hinzuwenden" (RP 26). Wo jemand seine Schuld nicht verleugnet und sie nicht verharmlost, sondern eingesteht, daß er schuldig geworden ist, da ist er mit Hilfe der Gnade schon auf dem Weg zur Umwandlung und Sinnesänderung. Er weiß sich schuldig vor Gott und betet mit dem Psalmisten:
"Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld,
tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!
Wasch meine Schuld von mir ab,
und mach mich rein von meiner Sünde!
Denn ich erkenne meine bösen Taten,
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