Band I - Erster Teil Gott der Vater
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des ganzen Heilsplans Gottes. Danach führt Gott die Menschheit in vielen Stufen (Noach-, Abraham-, Mose-, Davidbund) bis zum neuen Bund in Jesus Christus und zu seiner Vollendung am Ende der Zeiten. Durch seinen Geist führt er auch die Kirche, um durch sie das allumfassende Reich Gottes vorzubereiten. Die Vorsehung des einzelnen dient diesem umfassenden Heilsplan. Der Schlüssel zum Vorsehungsglauben Jesu liegt darum in der Aussage: "Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,33). Damit ist keinem naiven Optimismus das Wort geredet. Vielmehr wird gesagt: Mache Gott und die Sorge um sein Reich zum Inhalt deines Lebens, dann verändert sich die Welt um dich her.

Im Vorsehungsglauben kommt zum Ausdruck, daß die unermeßlich große Schöpfung und der allumfassende Heilsplan Gottes auf den einzelnen Menschen ausgerichtet sind, ja, daß sich der Sinn der Schöpfung und der Geschichte im einzelnen Menschen entscheidet. Die Vorsehung Gottes darf deshalb nicht als ein Plan mißverstanden werden, der über den Kopf der Menschen hinweggeht. Sie setzt das Mitgehen des Menschen voraus, der sich Gottes Fürsorge anvertraut. In dem Maße, als sich ein Mensch auf Gottes Willen einläßt und sein Leben ändert, ändert sich auch sein "Schicksal". Der Mensch, der mit Gott ins Einvernehmen kommt, kommt auch mit der Welt ins Einvernehmen. Die Dinge und Geschehnisse verlieren dann ihre Fremdheit und erscheinen in besonderer Weise von Gott "zugefügt". Wo dies geschieht, da ist für den, der glaubt, Gott schon jetzt "alles und in allem". Auch wenn er unter Umständen keine anderen äußeren Verhältnisse schaffen kann, werden sie doch anders, weil er weiß, daß ihn nichts scheiden kann von der Liebe Christi (vgl. Röm 8,35) und "daß die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll" (Röm 8,18).

Der innere Zusammenhang zwischen der alles umfassenden Vorsehung Gottes und der Freiheit des Menschen kommt vor allem im Bittgebet zum Ausdruck. Schon das Bitten-Dürfen zeigt, daß der Mensch Zugang hat zu Gott und sich von ihm angenommen wissen darf; es bringt zum Ausdruck, daß Gott den Menschen hört, anhört und bejaht. Durch solches Bitten wird der Mensch also keineswegs zu einer unterwürfigen Figur
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