Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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dadurch zum Ausdruck, daß er diese seine Botschaft an seine Person bindet. Mit seinem Kommen ist das Reich Gottes im Kommen. Deshalb gilt:
"Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht. Ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört."(Lk 10,23-24).
Das Bewußtsein Jesu, in der Vollmacht Gottes zu handeln, schimmert durch nicht wenige seiner Worte durch und kommt in seinen Taten zum Ausdruck. Zweiflern an seiner Botschaft sagt er: "Hier aber ist einer, der mehr ist als Salomo ... der mehr ist als Jona" (Lk 11,31-32). In seinen Dämonenbannungen, mit denen die Macht des Bösen gebrochen wird, manifestiert sich das Kommen der Gottesherrschaft (vgl. Lk 11,20). Auch in seiner Lehre, die anders ist als die der Schriftgelehrten, erkennt das Volk seine göttliche Vollmacht (vgl. Mk 1,22.27).

Dieser Vollmachtsanspruch Jesu drückt sich auch in der geheimnisvollen Rede vom Menschensohn aus. Sie begegnet uns sehr oft bei Jesus und hat sich der Urkirche tief eingeprägt. Sie erfaßte darin den verborgenen Heils- und Richteranspruch Jesu. Der Menschensohn hat Vollmacht, auf Erden Sünden zu vergeben (vgl. Mk 2,10), er ist "Herr auch über den Sabbat" (Mk 2,27). Wer sich zu Jesus bekennt, "zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen"; wer ihn vor den Menschen verleugnet, "wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden" (Lk 12,8-9). Der geheimnisvoll klingende Titel stammt aus jüdischer Erwartung und bezeichnet ursprünglich die Hoheit des kommenden Heilbringers und Richters, wird aber in den Worten Jesu auch auf seine Niedrigkeit (vgl. Lk 7,34; 9,58), ja sein Leiden und Sterben (vgl. Mk 8,31; 9,31; 10,33), seine Hingabe in den Tod "für viele" (Mk 10,45) angewendet. Aber der Menschensohn wird einst auch mit "Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen" (Mk 13,26; vgl. 14,62; Dan 7,13) und alle Völker richten (vgl. Mt 25,32). In der verhaltenen Rede Jesu vom Menschensohn hat die Urkirche seine verborgene Vollmacht auf Erden, seinen von Gott bestimmten Weg über das Kreuz zur Auferstehung und sein künftiges Erscheinen in göttlicher Herrlichkeit erkannt. Dies ist auch der Weg des Reiches Gottes: von verborgener Gegenwart im irdischen Wirken Jesu über die Zeit des Wachsens, in der die Menschen geprüft werden, zur Vollendung am Ende der Weltzeit.

Wo Gottes Herrschaft, Gottes Erbarmen und Gottes Liebe offenbar werden, da ist der Mensch aufgerufen, in allem ganz den Willen Gottes zu tun (vgl. Mt 7,21). Jesus verkündet den Willen des Vaters "mit Vollmacht". Bei aller Radikalität seiner
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