Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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und der staatlichen Gesetze. Unter dieser Rücksicht haben die Deutschen Bischöfe auch erklärt, daß demokratisch legitimierte Mehrheitsentscheidungen, die sich auf Gerechtigkeit und Recht berufen können, verlangen, gerade von Christen respektiert zu werden (vgl. GF 5.3.6.). Für den Fall, daß Entscheidungen von Politikern mit dem eigenen Urteil im Einzelfall nicht übereinstimmen, sind Gruppen und Initiativen, die Entscheidungen der Politiker als falsch empfinden, gehalten, die Methoden ihres Einspruchs oder Protests zu überprüfen. Sie werden gebeten, "Wege zu wählen, von denen sie begründet sagen können, daß sie gewaltfrei bleiben, den Grundwerten des Grundgesetzes verpflichtet sind und nicht zu gesetzwidrigen Handlungen führen" (ebd.).

In einer Ausnahmesituation, in der alle legalen Mittel des Protests und Widerspruchs ausgeschöpft sind und keine andere Möglichkeit bleibt, als durch einen gewaltlosen Akt des Ungehorsams den Widerspruch gegen staatliche Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen, die nach gewissenhafter Prüfung als gemeinwohl- bzw. als gerechtigkeitsverletzend empfunden werden, ist ein Akt zivilen Ungehorsams (Rechtsverletzung) zwar illegal, er kann aber moralisch legitim sein. Ein solcher Akt zielt nicht auf die Aushöhlung und Untergrabung der demokratischen Ordnung, sondern auf ihre Erhaltung und Förderung. In einem solchen Akt zivilen Ungehorsams spiegelt sich das moralische Urteil wider, daß es gerechtfertigt sein kann, die Gesellschaft durch einen verschärften Widerspruch auf einen sonst nicht zu behebenden Mißstand aufmerksam zu machen. Die Ernsthaftigkeit der Überzeugung und des verfolgten Anliegens wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die für den begangenen Gesetzesungehorsam auferlegten Sanktionen in Kauf genommen werden.

Bei alledem versteht sich von selbst, daß sich Akte zivilen Ungehorsams moralisch verbieten, sofern sie schwerwiegende Beeinträchtigungen der Freiheit anderer und ihrer legitimen Ansprüche enthalten.

Regierung und Parlament können sich durch solche Akte zivilen Ungehorsams herausgefordert sehen, Maßnahmen, die von einiger Tragweite für die Bevölkerung sind, zu überprüfen und zu versuchen, durch bessere Gesetze eine breitere Zustimmung zu bekommen. Es gehört zur politischen Kultur einer demokratischen
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