Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Gesellschaft, daß sie Protest und Widerspruch in vielen Formen tolerieren kann.

Bürgerinitiativen, Protestbewegungen und organisierte Gruppen sind gehalten, sich bei Protesten gegen Maßnahmen der politischen Gewalten im Rahmen der demokratischen Rechtsordnung zu bewegen. Überschreiten sie diesen Rahmen, tragen sie dazu bei, gerade das zu bewirken, was sie verhindern wollen: die Bedrohung der Demokratie und des freiheitlich demokratischen Staates. Gewaltloser ziviler Ungehorsam muß der Ausnahmefall bleiben.

3.5. Widerstand gegen ungerechte Gewalt

Die Frage nach dem Recht auf Widerstand gegen die Staatsgewalt ist nicht neu. Im Mittelalter stellte sie sich im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die Herrschaft von Tyrannen. Thomas von Aquin (+ 1274) und andere Theologen unterschieden zwischen einem Herrscher, der die Macht unrechtmäßig an sich gerissen hat (Usurpator) und die Macht mißbraucht, und einem Herrscher, der legitim an die Macht gekommen ist, aber durch Machtmißbrauch zum Tyrannen geworden ist. Viele Theologen rechtfertigten den Widerstand gegen Tyrannen und hielten unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Tötung des Tyrannen (sogenannter Tyrannenmord) für erlaubt.

In diesem Sinne betont der Katechismus der Katholischen Kirche: "Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5) daß vernünftigerweise keine besseren Lösungen abzusehen sind" (2243).

In der neueren deutschen Geschichte tauchte die Frage nach dem Recht auf Widerstand gegen die Staatsgewalt im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft auf. Hier gab es eine Vielzahl von Aktionen (zum Beispiel der Weißen Rose, der Roten Kapelle) bis hin zum gescheiterten Attentatsversuch vom 20. Juli 1944. Da im totalitären Staat des Nationalsozialismus politischer Widerspruch
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