Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Eine Lebendspende ist ethisch allenfalls vertretbar, wenn es sich um Organe handelt, die, wie zum Beispiel die Niere, doppelt vorhanden sind. Außerdem kommt sie nur in Betracht, wenn das Leben und die Gesundheit des Spenders mit Sicherheit nicht gefährdet sind und mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß der Spender auch sonst keinen substantiellen oder irreparablen Schaden für das eigene Leben, die eigene Gesundheit oder seine Arbeitsfähigkeit davonträgt. Auf der anderen Seite muß für den Empfänger eine begründete Hoffnung bestehen, daß sein Leben durch die Organspende verlängert oder sein Gesundheitszustand nachhaltig verbessert werden kann. Schließlich muß die Organtransplantation die einzige Möglichkeit zur Rettung des Lebens des Empfängers sein. Eine weitere Voraussetzung ist, daß das Motiv der Spende die Liebe zum Nächsten ist und der Spender seine Einwilligung in voller Freiheit und nach reiflicher Überlegung und umfassender Aufklärung getroffen hat. Heute wird in der Medizin weithin auf Organverpflanzung von lebenden Spendern verzichtet. Sie kann nur in seltenen Grenzfällen unter dem Gesichtspunkt eines außergewöhnlichen persönlichen Opfers in Betracht kommen. Zu einem solchen Opfer darf niemand durch moralischen Druck veranlaßt werden.

Von anderer Art sind die Probleme, die sich bei der Verpflanzung von Organen soeben Verstorbener auf einen Empfänger ergeben, für den die Übertragung des Organs (Niere, Herz, Leber) lebensrettend oder lebensverlängernd ist.

Bei vielen Menschen bestehen tiefsitzende Ängste und Vorbehalte dagegen, nach dem Tod als Organspender zu dienen oder diese Entscheidung für einen verstorbenen Angehörigen zu übernehmen. Manche meinen, die Ehrfurcht vor dem toten Leib verbiete einen Eingriff in die körperliche Integrität des Verstorbenen. Andere befürchten, man könne als sterbenskranker Mensch vorschnell für tot erklärt werden.

Da eine Organentnahme von Verstorbenen nur dann sittlich erlaubt sein kann, wenn mit Sicherheit feststeht, daß der Organspender tot ist, erweist es sich als notwendig, den Eintritt des Todes einwandfrei festzustellen. Das Erlöschen wahrnehmbarer Lebenszeichen (der letzte Atemzug oder der letzte Herzschlag) zur Feststellung des Todes wird den Anforderungen der modernen Medizin nicht mehr gerecht, denn Kreislauf und Atem können
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