Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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auch künstlich aufrechterhalten werden. Viele setzen an die Stelle der früheren Todesdefinition (klinischer Tod) die Definition des "Hirntodes". Dieser besteht im vollständigen und unwiederruflichen Zusammenbruch der Gesamtfunktion des Gehirns. Die Feststellung des Hirntodes ist ein sicheres Anzeichen dafür, daß der Zerfall des ganzmenschlichen Lebens nicht mehr umkehrbar ist. Es ist von diesem Zeitpunkt an vertretbar, Organe für eine Organverpflanzung zu entnehmen.

Die Möglichkeit, den endgültigen Tod eines Menschen festzustellen, kann die Angst ausräumen, daß Organe entnommen werden, ehe der Mensch tot ist. Darüber hinaus ist die Entnahme von Organen Verstorbener an bestimmte Bedingungen gebunden, denn sie ist ein Eingriff in die Integrität des toten Leibes. Staatliche Gesetze regeln deshalb die Bedingungen für die Erlaubtheit der Organentnahme. Bedeutsam ist die vor dem Tod gegebene Einwilligung des Spenders oder bei Verstorbenen die Zustimmung der Angehörigen. "Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht im vollen Wissen ihre Zustimmung gegeben haben" (KKK 2296). Nur in dringenden Fällen, in denen eine unmittelbare Organübertragung das einzige Mittel zur Rettung eines anderen Menschen ist, kann die Sorge für die Rettung dieses Lebens Vorrang vor dem Anspruch auf Wahrung der Integrität des toten Leibes haben. Staatliche Regelungen und ärztliche Richtlinien sollen dazu beitragen, daß Mißbrauch verhindert wird, zum Beispiel auch, daß Organe von lebenden wie von verstorbenen Menschen grundsätzlich nicht verkauft oder gekauft werden dürfen.

Die christlichen Kirchen sehen insgesamt in der Organspende eine Möglichkeit, über den Tod hinaus Nächstenliebe zu praktizieren, treten aber zugleich für eine sorgfältige Prüfung der Organverpflanzung im Einzelfall ein (vgl. "Gott ist ein Freund des Lebens. Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens", Gemeinsame Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, VI, 4: Organverpflanzung). Ein Spenderausweis kann nicht befohlen werden; die Einwilligung muß frei und gewissenhaft gefällt und vom Motiv der Liebe getragen sein.
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