Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
Seite 323 Seite: 324 Seite 325
  • Sittlich erlaubt ist die Verteidigung, die das geringere Übel darstellt. Daher ist zwischen den Übeln, die durch die Verteidigung bewirkt werden, und den Übeln, die ohne Verteidigung zugelassen werden, abzuwägen (Prinzip der Verhältnismäßigkeit). "Wenn die Schäden, die er (ein Krieg) nach sich zieht, unvergleichlich größer sind als die der ,geduldeten Ungerechtigkeit`, kann man verpflichtet sein, die ,Ungerechtigkeit auf sich zu nehmen`" (Papst Pius XII., UG 2366).

    Nach dem offiziellen Ende des kalten Krieges, der Beendigung der gegenseitigen Abschreckung und der Wende im gesamten Bereich des früheren "Ostblocks" war die Hoffnung entstanden, daß die Phase der gegenseitigen Bedrohung überwunden sei und sich neue Möglichkeiten in Richtung auf eine umfassende Weltfriedensordnung eröffnen würden.

    Ungeachtet dieser hoffnungsvollen Entwicklung sind neue Gefahren entstanden: Die heute mögliche Solidarität aller Völker in der einen Völkergemeinschaft, der Ausbau des verbindlichen Völkerrechts und der rechtssichernden Institutionen werden auch durch neuen Nationalismus und durch innere Ungefestigtheit vieler Staaten eingeengt. Umweltzerstörungen, sich ausbreitende Armut und Hungerkatastrophen bringen zudem immer neue Flüchtlingsströme hervor. Der ungebremste Waffenhandel und die Weiterverbreitung neuer Technologien zur Herstellung von wissenschaftlich hochentwickelten Waffen bergen die Gefahr, daß regionale Konflikte gewaltsam ausgetragen werden und sich ausweiten. Die Mißachtung der Rechte von Minderheiten und Volksgruppen trägt den Keim des Bürgerkriegs in sich.

    Diesen weltweiten Gefährdungen des Friedens kann die Völkergemeinschaft nur in gemeinsamer Anstrengung begegnen. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit der Friedensförderung, damit auch durch unser Verschulden nicht neue, vermeidbare Kriegsursachen entstehen. Wir müssen uns mit einer ganz neuen Einstellung der Friedensaufgabe stellen.

    Was kann die Kirche tun, damit in dieser Zeit, in der eine neue internationale Ordnung noch nicht geschaffen ist, der Frieden gesichert und gefördert wird?

    Gerade unter den veränderten weltpolitischen Bedingungen betont die Kirche, daß die Bekämpfung der Kriegsursachen und die Kriegsverhütung die primären Zielsetzungen aller Friedenssicherung bleiben. Sie sind nur in internationaler Solidarität zu erreichen. Auch wenn den einzelnen Staaten, solange eine wirksame
  • Seite 323 Seite: 324 Seite 325