Band I - Erster Teil Gott der Vater
Seite 97 Seite: 98 Seite 99
und den Schöpfergott des Alten Testaments ablehnte. Auch im Mittelalter mußte die Kirche die Güte der Schöpfung gegen die pessimistischen Vorstellungen der Katharer und anderer dualistischer Sekten verteidigen (vgl. DS 800; 1333; 3002; NR 277; 301; 316). Mit dieser Lehre vom Gutsein der Schöpfung in allen ihren Bereichen ist jeder falschen Aszese, jeder skeptischen und pessimistischen Weltflucht und Weltverachtung der Boden entzogen. Das ist frohe Botschaft gerade für unsere Welt, die "zwischen Hoffnung und Angst hin und her getrieben" und "durch die Frage nach dem heutigen Lauf der Dinge zutiefst beunruhigt" wird (GS 4).

4. Das Wesen der Schöpfung. Die Bibel spricht von der Schöpfung trotz gelegentlicher Anklänge anders als die Schöpfungsmythen der damaligen Religionen, die von einem Kampf Gottes mit den Chaosmächten oder von einem Kampf der Götter untereinander erzählen. Nach der Bibel schafft Gott sozusagen mühelos und völlig souverän. Er schafft auch anders als Menschen schaffen, die immer einen vorgegebenen Stoff voraussetzen, den sie nur umschaffen und umformen. Bei Gott ist nie von einem vorgegebenen Stoff die Rede. Er ist deshalb kein Demiurg (Weltenbaumeister). Um die Einmaligkeit des schöpferischen Handelns Gottes auszudrücken, sprechen die Schrift (vgl. 2 Makk 7,28; Röm 4,17) und die kirchliche Lehre (vgl. DS 800; 3025; NR 295; 322) von der Schöpfung aus Nichts. Damit ist nicht gemeint, das Nichts sei der Stoff, aus dem die Welt gemacht ist, die Welt sei also zutiefst nichtig. Vielmehr wird das Fehlen jeder stofflichen Voraussetzung behauptet. Positiv ist damit ausgesprochen, daß Gott allein und ausschließlich der Grund der Welt ist, daß diese völlig von ihm abhängt und in allem, was sie ist, Anteil hat an Gottes Sein. Für eine Welt, die unter der Angst vor anonymen Gewalten und übermenschlichen Schicksalsmächten litt und leidet, ist dies ein tröstlicher Gedanke. Er sagt uns, daß alles, was wir sind und haben, ja, daß alles, was ist, geschenkte und verdankte Wirklichkeit ist.

5. Die Eigenständigkeit der Schöpfung. Durch ihre radikale Abhängigkeit von Gott ist die Welt wesensmäßig und unendlich von Gott, dem absolut Unabhängigen, verschieden und unterschieden. Damit ist sie gerade in ihrer radikalen Abhängigkeit etwas gegenüber Gott Eigenständiges. Die Schöpfung aus Nichts verleiht also dem Geschöpf seine ihm eigene Würde
Seite 97 Seite: 98 Seite 99