Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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der Naturwissenschaften her durchaus berechtigt. Aber die Betrachtung der Welt unter dem Gesichtspunkt von Naturgesetzen ist nur eine, nicht die einzige Weise, die Wirklichkeit zu verstehen. Der Glaube kann sich mit einer solchen Betrachtungsweise, würde sie verabsolutiert, nicht zufriedengeben. Der Glaube an den lebendigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, würde seinen Inhalt verlieren, würde er nicht mehr mit der Möglichkeit und Wirklichkeit rechnen, daß Gott auch in außergewöhnlicher Weise in Zeit und Geschichte hineinwirkt. Ein solcher Glaube wäre ein hölzernes Eisen.

Die Wundertaten Jesu waren keine spektakulären Schauwunder; "Zeichen vom Himmel" hat Jesus stets abgelehnt (vgl. Mk 8,11-13; Lk 11,29; Joh 6,30). Die Wunder sollen zum Nachdenken bringen und zum Glauben hinführen. Andererseits vermögen nur gläubige Augen und Ohren zu erfassen, was im Wirken Jesu geschieht (vgl. Mt 11,4-6; Lk 10,23-24). So sind seine Wunder Zeichentaten, die Gottes Heils- und Rettungswillen verdeutlichen und Anzeichen der hereinbrechenden Gottesherrschaft sein sollen. "Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen" (Lk 11,20, vgl. Mt 12,28). Die Totenerweckungen sollen die lebenweckende Macht Gottes, die für damalige Menschen auch schon bei Krankenheilungen wirksam war, in höchster Steigerung zeigen. Die Stillung des Sturms auf dem See Gennesaret (vgl. Mk 4,35-41) ist ein Rettungswunder, das die in Jesus gegenwärtige Macht göttlichen Beistands veranschaulicht. Die große Speisung, mit vielerlei Motiven angereichert, ist im Kern ein Spendewunder, das Gottes reiche Güte, das Austeilen seiner Gaben, wie einst beim Wüstenzug Israels, so auch jetzt durch seinen Messias, die Mahlgemeinschaft Jesu mit Jüngern und Volk vor Augen führt (vgl. Mk 6,34-44; 8,1-10). Darin soll deutlich werden, daß Gott Sieger über Krankheit und Leid, über den Tod und das Böse ist. In alledem soll auch die Vollmacht Jesu und seine im irdischen Leben noch verborgene Herrlichkeit aufleuchten. Es soll deutlich werden, daß in Jesus "die Güte und Menschenliebe Gottes" erschienen ist (Tit 3,4).
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